Und wie ticken Sie, Mr. President?

Und wie ticken Sie, Mr. President?

Sogar er selbst konnte es kaum glauben, als sein Sieg Gewissheit war! Donald Trumps Präsidentschaft ist jetzt aber Tatsache und Grund genug, über seinen Enneagrammtyp nachzudenken.


Don Riso und Russ Hudson („Die Weisheit des Enneagramms“) berichten über die Acht Folgendes:

Sie sind charismatisch und besitzen die physische und psychische Kraft, andere Menschen zu motivieren. Achter haben eine enorme Willenskraft und Vitalität und fühlen sich am lebendigsten, wenn sie diese Eigenschaften zur Anwendung bringen können. Sie benutzen ihre Energie dazu, in ihrer Umgebung Veränderungen herbeizuführen, aber auch dazu, sich selbst und die Menschen, die ihnen am Herzen liegen, vor anderen zu schützen. Achter lernten bereits in jungen Jahren, dass man dazu Kraft, einen starken Willen und Ausdauer benötigt.
Don Riso / Russ Hudson

Es ist also kaum verwunderlich, dass viele Vertreter dieses Typs Bedeutendes auf der Weltbühne geschaffen haben. Die Vorzüge der Acht können sich jedoch, so wie bei allen anderen Typen, in ihr Gegenteil verkehren, wenn es in der Persönlichkeitsentwicklung beachtliche Störungen gab. Dann kann die Energie, Kraft und Entschlossenheit der Acht für ihre Umgebung zum Problem werden.

Im letzten Jahr hat eine Nachricht die ganz Welt überrascht. Ein Tweet von Donald Trump fasst diese in kurze Worte:

“Ich bin Präsident! Kann man das glauben?”
Donald Trump

Nein, wir konnten es nicht glauben, genauso wenig wie Trump wohl selbst, als das Ergebnis der Wahl in den USA feststand. Aber nun ist es Tatsache und somit Grund genug, diesen Mann auf seinen möglichen Enneagrammtyp hin zu beleuchten. Die diesbezügliche Meinung Enneagramm— erfahrener Leute ist ziemlich einhellig. Wir gehen davon aus, dass er eine Acht ist.

Zwei Prämissen gleich vorweg

Punkt eins: Wir kennen Trump nicht persönlich und sind darauf angewiesen, jenes Bild von ihm zu übernehmen, das er uns auf Grund seiner Auftritte und Aussagen liefert. Inhalt und Ausdruck dessen, was er von sich gibt, lassen seinen Typ zwar klar erscheinen, aber es ist und bleibt unsere Annahme.

Punkt zwei: Es muss immer wieder daran erinnert werden, dass wir innerhalb ein und desselben Typs ganz unterschiedliche Verhaltensweisen antreffen. Diese spiegeln die vertikale, individuelle Entwicklung der Menschen eines Typs und sind Messlatte für mentale und emotionale Gesundheit. Don Riso unterscheidet und beschreibt für jeden Typ die „gesunde, die durchschnittliche und die gestörte Ausprägung“ und setzt diese in direkte Beziehung zum Schwierigkeitsgrad unserer Kindheit. War diese geprägt von bedrohlichen Situationen, kommt in späteren Jahren eine bedeutende Lebenskrise hinzu und wird von den Betroffenen keine Unterstützung gesucht oder angenommen, ist ein Abgleiten in den gestörten Bereich oft unvermeidlich.

„Self Mastery“ – high or low ist die Frage!

Wie bei anderen Typen lassen entwickelte Achter („high self mastery“) kaum denselben Typ erkennen wie Achter, von denen wir sagen müssen, dass der Grad der persönlichen Entwicklung sehr niedrig ist („low self mastery“) — und doch ist es ein und dieselbe Psychodynamik, die zu so unterschiedlichen Ausprägungsformen führt.

Verfolgt man die politischen Aktivitäten und Äußerungen von Donald Trump, wird auch psychologischen Laien auffallen, dass er auf der Stufenleiter der Persönlichkeitsentwicklung ziemlich weit unten angesiedelt ist. Gründe für diese Annahme hat er der Welt schon mehr als genug geliefert. Und dennoch erkennt man eine Komponente an ihm, die er mit allen Achtern, egal ob im entwickelten, durchschnittlichen oder gestörten Bereich, gemeinsam hat: enorme Willenskraft und Vitalität. Achter sind Tatmenschen und benutzen ihre Energie, um in ihrer Umgebung Veränderungen herbeizuführen. Was andere über sie denken, kümmert sie herzlich wenig — sie lassen sich durch fremde Meinungen keinesfalls von ihrem Weg abbringen.

„Das Leben ist ein einziger Kampf!“

Achter möchten stark sein und Kontrolle ausüben. Sobald bei ihnen jedoch die Einstellung Platz greift, dass das Leben ein einziger Kampf sei und sie unbedingt als Sieger aussteigen müssen, entwickeln sie sich in Richtung gestörter Bereich. Sie werden dann Gefangene ihres Verhaltensmusters und möchten gegen alles und jeden ihren Willen durchsetzen. Konflikte wirken auf sie höchst stimulierend, und wenn sich jemand durch ihr unreflektiertes Verhalten verletzt fühlt, bleibt das unbeachtet. Sie lassen andere deutlich spüren, wer das Sagen hat. Gegen Ratschläge verhalten sie sich immun. Selbst wenn sie eine Entscheidung bereuen, nehmen sie diese nicht zurück, weil man es als Schwäche auslegen könnte. Und das Zeigen von Schwäche ist genau jener Punkt, den es für die Acht in dieser Verfasstheit um jeden Preis zu vermeiden gilt.

Sind sie einmal im „gestörten“ Funktionsbereich ihres Typs angelangt, ignorieren sie ihre eigene Gefühlswelt und finden gar nichts dabei, andere lächerlich zu machen, indem sie vernichtende verbale Attacken von Stapel lassen. Sie werden noch herausfordernder und kampfeslustiger und wollen um jeden Preis ihre Machtposition verteidigen, glauben, sich über alle gesellschaftlichen Regeln hinwegsetzen zu können und halten sich für unverwundbar.

Auf dieser Stufe agieren Achter vorwiegend mit brutaler Einschüchterung, um dorthin zu gelangen, wohin sie wollen. Wenn jene, die ihnen bis hierher gefolgt sind, beginnen, Kritik zu äußern und Widerstand zu zeigen, steigt bei der Acht heftiger Zorn hoch, ihr Verhalten wird noch aggressiver und kann bis zur Erniedrigung des vermeintlichen Gegners führen. Die Macht muss ausschließlich in ihren Händen liegen — für Abweichungen von ihrer Meinung oder ihrem Urteil gibt es null Toleranz.

Der Weg zu tyrannischem Verhalten

Angesichts dieser ständigen Provokationen ist es leicht vorstellbar, dass der Kreis vermeintlicher und echter Gegner immer größer wird, was die Entwicklung zum Schlechteren weiter vorantreibt. Tyrannisch, diktatorisch, Macht und Menschen missbrauchend – so zeigt sich eine gestörte Acht, der jedes Mittel recht ist, um das eigene Überleben, das sie mit dem Erhalt der Macht gleichsetzt, zu sichern.

Dabei geht die Acht nicht mehr strategisch vor, sondern agiert aus dem Bauch, immer darauf bedacht, den ersten Schlag zu versetzen. Das einzige Gesetz, das sie noch akzeptiert, ist das Gesetz des Stärkeren, und der muss in jedem Fall sie sein – egal was es koste. An diesem Punkt angelangt scheut die Acht weder vor Lüge, Verrat noch Gesetzesbruch zurück, wenn es dem Zweck des Sieges dient. Sie entwickelt egomanische Züge. Im Gefühl ihrer vermeintlichen Grandiosität entfernt sie sich immer mehr vom Boden der Wirklichkeit und übersteigert ihr eigenes Machtgefühl im selben Maß, wie sie die Stärke der Gegner missachtet.

Und wie tickt Mr. President?

Bis jetzt habe ich keine Anhaltspunkte gefunden, die Trumps Zuordnung zu Typ Acht widersprechen. Klar ist, dass er nicht dem Bild einer gut entwickelten Acht entspricht. Ist er im durchschnittlichen oder gestörten Bereich angesiedelt? Wenn nicht doch noch Einsicht und Vernunft bei ihm die Oberhand gewinnen, ist wohl Letzteres zu befürchten.