GLÜCK ist kein Glücksfall Teil 1

GLÜCK ist kein Glücksfall Teil 1

Glück – alles, was Sie darüber wissen müssen, und warum es nicht das Wichtigste im Leben ist. Diese Ankündigung beschreibt nicht den Anspruch an meinen Text, sondern ist der Titel des empfehlenswerten Büchleins von Wilhelm Schmid, das mich angeregt hat, mich dem Thema Glück zu widmen und darüber nachzudenken, was man aus Sicht des Enneagramms anfügen könnte.


Dass Glücksgefühle kein Zufall sind, erklären uns die moderne Neurowissenschaft, die antike Philosophie und auch der Buddhismus. Glücksgefühle, so der gemeinsame Nenner, seien vielmehr eine Folge richtiger Gedanken und Handlungen, die man sich erarbeiten müsse.

„Die eigentlichen Geheimnisse auf dem Weg zum Glück sind Entschlossenheit, Anstrengung und Zeit.“
Dalai Lama

Es komme darauf an, gute Gewohnheiten in uns zu verankern, weil diese die Seele formen – oder die Schaltkreise unseres Gehirns.

Wissenschaftler haben diesbezüglich die gute Nachricht für uns, dass die Schaltkreise, die dem Empfinden von Angst oder Freude, Vergnügen oder Trauer zugrunde liegen, zu den formbarsten im Gehirn gehören. Unsere Gehirne können sich also verändern und tun es ständig. Durch subtile Veränderungen der Art und Weise, wie wir die Welt sehen, ändern wir die aktuelle Struktur unseres Gehirns und damit zum Teil die Struktur unserer Persönlichkeit.

Veränderung beginnt bei uns selbst

Demzufolge sollten wir unser Augenmerk nicht so sehr darauf legen, die Umgebung den Ansprüchen unseres Glücksbedürfnisses gemäß verändern zu wollen, sondern uns selbst. Denn unser Empfinden von Glück leitet sich mehr von der Weise ab, wie unser Gehirn verdrahtet ist, als von äußeren Umständen – und diese Verdrahtung können wir formen. Eine gute Botschaft, denn Umstände lassen sich nur bedingt steuern, die Art und Weise, wie wir darauf reagieren, offenbar viel mehr. Dann ist das Glück ist also doch kein „Vogerl“, das einfach fortfliegt, wie in einem Wienerlied behauptet wird!

Schon in der Antike war die Leitfrage der Philosophen die praktische Grundfrage, wie zu leben gut oder am besten sei. Die Antwort darauf lautete: Das letzte Ziel des Menschen ist das Glück – griechisch „Eudaimonia“, was übersetzt so viel bedeutet wie die Lehre vom „erfüllten oder guten Leben“. Seit es der technologische Fortschritt erlaubt, uns mit neuen bildgebenden Verfahren beim Denken und Fühlen zu beobachten, beschäftigt sich auch die moderne Neuroforschung verstärkt mit den Voraussetzungen für ein „erfülltes und gutes“ Leben, so auch die bekannte Neuropsychologin Elaine Fox:

Unsere eigenen Schwächen ebenso wie unsere Stärken zu kennen ist wichtig und kann uns sehr nützlich sein. Sich dessen bewusst zu sein, wie wir wahrscheinlich auf etwas reagieren, und diese Prädisposition möglicherweise zu ändern, kann uns dabei helfen, uns zu schützen, und uns den Weg zu einem erfüllteren Leben zu weisen.
Elaine Fox

Der Beitrag des Enneagramms zum Thema Glück

Das Enneagramm fordert uns auf, diesen Weg zu gehen und verschafft uns Orientierung, wie wir unsere Stärken, Schwächen und blinden Flecken besser durchschauen, um daraus die nötigen Schlüsse ziehen können. Kurz und bündig gesagt, es beschreibt, wie wir Menschen ticken. Aber das ist noch nicht die ganze Geschichte. Das Enneagramm beinhaltet noch viel mehr. Es beschreibt nicht nur das Wie, sondern auch das Was, indem es uns bewusst macht, was uns zum Ticken bringt, was uns motiviert, aber auch was gleichzeitig jener Stein sein kann, der uns auf dem Weg zu einem erfüllten Leben sehr leicht zum Hindernis werden kann.

Was uns am meisten motiviert und unsere Psyche in Gang setzt, sind immer Bedürfnisse. Es sind Grundbedürfnisse wie Hunger, Durst und Schlaf, die wir zum physischen Überleben befriedigen müssen – aber es gilt auch psychische Grundbedürfnisse zu erfüllen, wie zum Beispiel das Bedürfnis nach Sicherheit, Zugehörigkeit, Wertschätzung oder Selbstbehauptung. Wenn sie nicht erfüllt werden, richten wir unsere Aufmerksamkeit verstärkt darauf, das zu ändern.

Ein Blick hinter die „Mauer“

Die psychischen Grundbedürfnisse repräsentieren legitime, universelle Wünsche. Nach dem Enneagramm hat jeder Typus die Tendenz, ein spezifisches Grundbedürfnis so sehr in den Mittelpunkt seiner Aufmerksamkeit zu rücken, dass seine anderen Bedürfnisse darunter leiden. Je beharrlicher wir uns damit beschäftigen, umso fixierter sind wir in unserer Persönlichkeitsstruktur. Diese umgibt uns dann wie eine Mauer, an die wir uns schon so gewöhnt haben, dass wir gar nicht mehr versucht sind, einen Blick dahinter zu werfen. Dadurch gerät schließlich unser Denken, Fühlen und Handeln aus der Balance, und wir erleben Gefühlszustände, die wir so nicht wünschen, die wir aber auch nicht so einfach loswerden.

In diesem Zusammenhang lohnt es sich, wieder einmal Paul Watzlawicks Buch „Anleitungen zum Unglücklichsein“ aufzuschlagen, welches auch bei mir nach wie vor einen prominenten Platz im Bücherregal hat. Die Geschichte vom verlorenen Schlüssel bringt es auf den Punkt.

Unter einer Straßenlaterne steht ein Betrunkener und sucht und sucht. Ein Polizist kommt daher, fragt ihn, was er verloren habe, und der Mann antwortet: „Meinen Schlüssel.“
Nun suchen beide. Schließlich will der Polizist wissen, ob der Mann sicher ist, den Schlüssel gerade hier verloren zu haben, und jener antwortet: „Nein, nicht hier, sondern dort hinten – aber dort ist es viel zu finster.“

Neue Strategien statt „mehr desselben“

„Mehr desselben“ ist laut Watzlawick oft ein wirkungsvolles Katastrophenrezept. Stures Festhalten an Verhaltensweisen und Lösungen, die irgendwann einmal gut funktioniert haben, aber jetzt nicht mehr greifen, stürzen uns ins Unglück, wenn wir nicht nach einer neuen Strategie suchen.

Das Enneagramm sieht dies ähnlich und zeigt uns, dass unsere Stärken, wenn überstrapaziert, zu unseren größten Schwächen werden und sich als große Stolpersteine auf unserem Weg zum Glücklichsein entpuppen.

Nehmen wir Typ Eins, um ein Beispiel zu geben. Menschen dieses Typs sind in der Regel gewissenhaft, diszipliniert und haben hohe Ansprüche an sich und andere. Bei dem Versuch, ihrem idealen Selbst gerecht zu werden, können sie – so wie alle anderen Typen auch – erheblich über das Ziel schießen. Je enger das Korsett ihres Musters ist, desto mehr müssen sie sich dem Diktat ihres Perfektionismus unterwerfen. Jede Aufgabe wird dann schwieriger, als sie eigentlich ist, da sie so perfekt wie möglich erledigt werden muss. Die Ideale werden ständig höhergeschraubt. Das Bemühen um Perfektion führt unweigerlich zu Spannung und Frustration, und die Umwelt erlebt die Eins dann als rigide, bitter, selbstgerecht und voll Groll. Hier kann das Enneagramm helfen, die Stärken und Schwächen des eigenen Typs zu verstehen und Extremen rechtzeitig vorzubeugen.

Welche unterschiedlichen Stolpersteine die neun Typen auf ihrem Weg zu einem guten und erfüllten Leben zu überwinden haben, können Sie in meinem nächsten Blog-Post lesen. Noch sehr viel mehr dazu erfahren Sie in meinem Online-Seminar „Glück ist kein Glücksfall“ am 28./29. April 2023.